Sonntag, 16. April 2017

Mein neues Zuhause

Am 31.03. durfte ich dann endlich ins Studentenwohnheim in Shonandai in der Stadt Fujisawa einziehen. Das ist etwa eine halbe Stunde Bahnfahrt von Yokohama entfernt. Morgens wurde ich von einer Studentin meiner Gast-Uni (eine reine Frauenuni übrigens) abgeholt und sie hat mich bis ins Wohnheim begleitet. Gott sei Dank konnten wir mit der U-Bahn durchfahren, denn mit meinen zwei schweren Koffern noch in Yokohama Station umzusteigen konnte ich nicht nochmal...
In Shonandai angekommen sind wir das letzte Stück mit dem Taxi gefahren, auch wenn es zum Wohnheim nur ca. 10 Minuten Fußweg sind. Dort wurde ich von den "Resident Assistants" (RA) empfangen, japanische Studenten, die auch im Wohnheim leben und den ausländischen Neuankömmlingen alles zeigen und mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Das Wohnheim selbst gehört nicht zur Uni, sondern wird von einer Firma betrieben, die auch weitere Wohnheime unterhält. Das heißt, es leben hier nicht nur Austauschstudenten meiner Gast-Uni, sondern auch japanische Studenten dieser und anderer Universitäten (alle weiblich). 

Das Wohnheim von außen
Die RA führte mich in mein Zimmer, welches wie damals in Chiba auch, ganz am Ende des Flures liegt. Ein Pluspunkt, denn so habe ich nur auf einer Seite eine Nachbarin. Die Wände sind dünn und sehr hellhörig, deshalb bin ich dankbar dafür, dass quasi niemand an meinem Zimmer vorbeistampft. Leider habe ich, wie auch in Deutschland in meiner letzten Wohnung, das Pech, dass das Wohnheim 10 Meter neben Bahnschienen gebaut wurde und mein Fenster NATÜRLICH in deren Richtung zeigt. Wie gesagt - dünne Wände, keine richtige Dämmung = laute Bahn. Bis jetzt geht es vom Lärmpegel her, aber das habe ich in Deutschland am Anfang auch gesagt und zum Schluss habe ich die Bahngeräusche nicht mehr ausgehalten. 

Wunderschöner Ausblick
Mein Zimmer ist möbliert und hat sogar einen Fernseher (!) und Telefon. Über die Wandfarben kann man streiten, ich finde sie sehr hässlich - aber es sind fast die gleichen wie in Chiba damals. Vielleicht ist das so ein Standard in Studentenwohnheimen. Darüber hinaus ist es sauber, geräumig (viiiiiel mehr Platz als in Chiba) und das Bett ist auch gemütlich. Anfangs dachte ich, es gäbe zu wenig Stauraum für meine Klamotten. Der Wandschrank ist relativ klein, hat nur eine kleine Stange zum Aufhängen von Kleidung, aber keine Fächer, bis auf zwei Schubladen und ein oberes Fach, an das ich kaum rankomme und sehr tief ist. Aber durch die extra Kleiderstange habe ich alles gut verstauen können, wodurch ich auf den Regalen meinen ganzen anderen Kram unterbringen konnte. Das Zimmer verfügt wie in Japan Standard auch über eine - brandneue, wie mir gesagt wurde - Klimaanlage, die ich wirklich nicht leiden kann. Das ist die einzige Möglichkeit zu kühlen und zu heizen und leider tut es fast schon zu gut. Die Luft wird sehr schnell sehr warm und trocken, aber weil die Wände quasi unisoliert sind, verfliegt die Wärme nach kurzer Zeit und es ist wieder kalt. In Chiba habe ich mich gehütet die Klimaanlage zu nutzen, weil ich Strom nach meinem Verbrauch zahlen musste und die Dinger echte Stromfresser sind. Nur wenn es zu kalt oder zu heiß wurde, musste ich sie anwerfen und schon schoss meine Stromrechnung nach oben. Diesmal ist es (hoffentlich, genaue Infos wurden mir nicht gesagt) so und ich feiere hier eine Klimaanlagen-Party der feinsten Art. Aber die Luft ist trotzdem so lala.





Mit mir sind noch weitere Austauschstudenten angekommen, vor allem aus dem asiatischen Raum (China, Korea, Taiwan, Indonesien). In Chiba gab es sehr viele Austauschstudenten aus allen möglichen Ländern (in meinem Jahrgang waren wir bestimmt 40 Leute, wenn nicht mehr) - hier sind wir, die 2 Semester bleiben, gerade mal 10. Zusätzlich zu denen, die nur ein Semester bleiben bzw. schon letztes Semester angekommen sind, sind wir vielleicht 15 Leute und auch hier die Mehrheit aus China, Taiwan, Korea. Aus Europa und Amerika stammen genau 5. Ich finde das sehr erfrischend und verhindert vielleicht, dass wir uns in "Ausländer-Gruppen" zusammenrotten und nur unter uns bleiben.
Die RA haben uns also in unsere Zimmer geführt und uns dann eine kleine Führung durch das Wohnheim mitgenommen. Die Ausländer leben im 2. Stock und wir teilen uns Toilette und eine kleine Küche. Es gibt außerdem noch einen kleinen Gemeinschaftsraum, genannt Piano-Raum, weil ein Klavier drinsteht. Duschen sowie Waschmaschinen befinden sich unten, die wir uns mit dem gesamten Wohnheim teilen. Bis jetzt konnte ich ungestört duschen, aber ich bin gespannt, ob das funktioniert, wenn die Uni richtig losgeht und alle morgens das Haus verlassen müssen. 

Der Flur

Die Toiletten

Der Schminkbereich


Die Waschmaschinen
Die Mini-Küche zum Selber Kochen

Das beste am Wohnheim ist die Kantine. Denn montags bis samstag gibt es jeden Tag Frühstück und Abendessen, was in der Miete mit inbegriffen ist. Nicht nur bekomme ich dadurch jeden Tag (außer eben sonntags) warmes Essen, sondern ich spare vermutlich dadurch eine Menge Geld an Lebensmitteln. In Chiba musste jeder für sich selbst kochen, was einerseits natürlich mehr Freiheiten bedeutete, aber auch gut Geld kostete. Jetzt muss ich nur noch Getränke, Essen für Sonntag und vielleicht Snacks und Süßigkeiten kaufen. Außerdem spare ich viel Geld, da ich mir auch keine Koch- und Putzutensilien kaufen muss (zumindest nicht in dem Ausmaß wie in Chiba). Auf der anderen Seite sind die Gerichte immer festgelegt und man muss mit dem leben, was man bekommt. Ich vermisse mein morgendliches Müsli und Kakao - Reis und Miso als dauerhaftes Frühstück ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Aber ich hoffe, dass mir das in ein paar Wochen nicht zum Hals heraushängt. 


Jede Bewohnerin hat einen Essenschip, den wir jedes Mal beim Frühstück und Abendessen

 abgeben müssen.


Kühlschränke mit Getränken, Dressings, Beilagen etc.

Getränkeautomat (Wasser und Tee) und Desserts

Die Essensausgabe


Reis und Miso gibt es jeden Tag

Ein beispielhaftes Abendessen - es hab Gyûdon, Rindfleisch auf Reis

Ein beispielhaftes Frühstück, kleine Fleisch- und Gemüsestückchen, dazu wahlweise Reis, Salat und Brot

Das Menü für April

Im Eingangsbereich hat jeder eine kleine Schuhbox. Hier kommen wir schon zu den negativen Aspekten des Wohnheims. Jedes Mal, wenn man das Haus verlässt, muss man an einer Tafel markieren, dass man abwesend ist (und wieder markieren, wenn anwesend) und mit einem Transponder nochmal. Außerdem gibt es quasi eine Ausgangssperre. Um Mitternacht werden die Tore dicht gemacht und man kommt erst ab 6.30 Uhr morgens wieder rein. Sie schließen nicht nur die Tür ab - sie machen ne Kette um die Türklinken. Ich finde das auf gut Deutsch scheiße - ich verstehe, dass auf die Mädchen irgendwie aufgepasst werden muss, denn viele hier sind nach japanischen Gesetzen noch nicht volljährig (erst mit 20) und leben zum ersten Mal alleine oder was weiß ich. Aber ich fühle mich manchmal schon wie ein Kind behandelt, auf das penibel geachtet werden muss, dass es auch brav die Regeln einhält - ich bin 25 und habe einen Uni-Abschluss, herrgott. 

Weiterer lästiger Aspekt ist die Mülltrennung. In Japan wird die zwar groß geschrieben, in Chiba mussten wir auch darauf achten, brav nach brennbar und nicht brennbar, Plastikflaschen  etc. zu trennen, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich fast alles einfach in die japanische Version des gelben Sackes geworfen (es ist ja alles irgendwie brennbar). Hier wird Mülltrennung auf ein ganz neues Level gehoben. Es wird nicht nur zwischen brennbar und nicht brennbar, sondern bei brennbar noch zwischen Papier und Plastik, Verpackungsmaterial, Material, in denen Lebensmittel drin waren (z.B. Joghurtbecher, Bentos, Soßen etc.). Letztere muss man, bevor man sie wegwirft, erst auswaschen. 
Dann Batterien, Kleidung, hartes Plastik, Plastikflaschen, die Etiketten von Plastikflaschen, die Kappen von Plastikflaschen, Lebensmittelreste. Und bestimmt noch mehr, aber ich habe mir nicht alles gemerkt und werde es ja eh nicht richtig machen. Und die Mülleimer sind überall, aber nicht an einem Ort. Achja, das WLAN ist auch scheiße.

Ok, genug beschwert. Alles in allem gefällt mir das Wohnheim sehr gut, die Leute sind nett und hilfsbereit und ich hoffe, dass wir alle viel zusammen unternehmen können. Shonandai hat auf jeden Fall einiges zu bieten. Im Sinne von, man hat hier alles, was man braucht, um zu leben. Es gibt mehrere Supermärkte, einige 100-Yen-Shops (best shop EVER), Buchläden, Restaurants (an der Bahnstation sind McDonalds, BurgerKing UND KFC), Karaoke-Läden und einiges mehr. Man kommt direkt nach Yokohama, zur Uni und sogar nach Tokyo, auch wenn man ein Weilchen fahren muss. Es wäre fast perfekt, wenn ich NICHT AN DER SCHEISS BAHNLINIE LEBEN WÜRDE. SCHON WIEDER (*Bahn fährt vorbei*).

Am 03.04. ging es dann endlich mit der Uni los bzw. mit der Orientierungswoche, in der wir viele weitere Infos zur Uni, zum Kursangebot etc. bekommen haben. Außerdem ging es noch zum Rathaus zum Anmelden. Ich werde berichten :)

PS: Habe ich erwähnt, dass das Wohnheim direkt in einer Flugschneise von Militärflugzeugen liegt?

Sonntag, 2. April 2017

Back in Japan - die ersten Tage

Mehr als 8 Monate habe ich geplant, nachgedacht, mich gefreut, geweint, gekauft, gekauft, gekauft und war nervös - und jetzt bin ich wieder da. Fast 3 Jahre nach meiner Rückkehr meines ersten Auslandsaufenthaltes in Chiba bin ich nach Japan zurückgekehrt für ein weiteres Studium, diesmal in Yokohama. 
Ich will ehrlich sein, die letzte Woche in Deutschland und der Abschied von meinem Freund am Flughafen waren die Hölle. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich damals für Chiba das gleiche Auf und Ab der Gefühle durchlebt habe wie diesmal. Ständig hatte ich das Gefühl irgendetwas sehr Wichtiges zu vergessen und ich bin so lange mit meinem Freund zusammen und wir haben so lange zusammen gelebt, dass ich mir einfach nicht mehr vorstellen konnte wieder ohne ihn und nur für mich allein zu leben. Natürlich war da auch wieder die Angst vor dem Unbekannten: wie werden die Kurse an der Uni sein? Wie werden meine Kommilitonen sein? Werde ich Freunde finden? Besonders das Wohnheim hat mir lange Kopfzerbrechen bereitet, diesmal würde man nämlich nicht in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung wohnen, sondern Dusche, WC und Küche müsste man sich mit dem ganzen Stockwerk teilen. Werde ich meine Ruhe haben? Wird es ständig laut werden? Wird es sauber sein? Werde ich mich wohl und willkommen fühlen? Das ist nur ein Bruchteil der Gedanken, die ich mir wochen- und monatelang gemacht habe. 

Aber jetzt bin ich da und ich möchte von meinen ersten Tagen in Japan berichten. Der Flug war sehr angenehm, es gab ganz nettes Essen, der Service war toll und die Filmauswahl noch besser. Auch wenn der Flieger komplett voll war und ich natürlich so gut wie nicht geschlafen habe, war es relativ entspannt. 
In Tokyo bin ich am frühen Nachmittag angekommen und musste erst durch die Einreisekontrolle, bevor ich Panik schieben konnte, dass meine zwei Koffer eventuell nicht mit angekommen seien. Aber auch das lief gut und ich wurde von einer Freundin abgeholt, die sich mit mir und meinen scheiß-schweren Koffern nach Yokohama durchgeschlagen und mich zum Hotel gebracht hat. Dort angekommen sind wir noch Abend essen gegangen (lecker Yakitori), ich bin wieder ins Hotel und hatte den Heulanfall meines Lebens. Die ganzen, oben beschriebenen Ängste und Sorgen haben sich endgültig entfaltet, kaum war ich endlich allein mit mir selbst. Ich dachte wirklich, weil es mein zweiter Japanaufenthalt wird, ist alles nicht mehr so unbekannt und beängstigend - aber diesmal waren und sind es noch andere Sorgen, die mich plagen, allen voran die Einsamkeit. Wie gesagt, wenn man so lange mit jemanden fast jede Minute zusammen verbracht hat, ist es schwer wieder allein zu schlafen. 
Ein bisschen konnte ich dann doch schlafen, aber der ganze Flug und danach haben mich so ausgelaugt, dass ich bis 15 Uhr im Bett geblieben und das Frühstück verschlafen habe. Nachmittags habe ich mir die Gegend, in der mein Hotel lag - Kannai -, angeschaut, was sehr zentral liegt. Hier gab es vor allem Restaurants, aber auch viele andere Läden. Da ich wusste, dass ich in wenigen Tagen ohnehin meine Koffer wieder packen und mit denen durch die halbe Stadt laufen müsste, habe ich darauf verzichtet, sofort groß einkaufen zu gehen. Ich habe mir nur Wasser, etwas zu Essen und das wichtigste von allem geholt: Pokemon Mond.

Ins Wohnheim durfte ich erst am 31.03. einziehen, angekommen bin ich aber schon am 27. Das war durchaus Absicht, denn auf diese Weise konnte mich nicht nur an die Zeitverschiebung und überhaupt an Japan wieder gewöhnen, bevor wir von Wohnheim und Uni von Informationen erschlagen werden, sondern es gab mir auch Zeit, die Kirschblüten in Ruhe anzusehen, denn diese sollten Ende März, Anfang April, zumindest in Yokohama/der Kanto-Region in voller Blüte stehen. 
Sollten. Am Arsch. Nichts. Null. Nada. Keine Kirschblüten. Die Kirschblüten-Vorhersage hat mir Kirschblüten versprochen und mir stattdessen ins Gesicht gespuckt und mich vor einen laufenden Zug gestoßen. Klar, hier und da stand ein einsamer Kirschblütenbaum in voller Pracht, im Hintergrund das wunderschöne Grau des bewölkten Himmels, umgarnt von windigen 9-12 Grad.


Und hier die Kirschblüten in ihrer vollen Pracht.

 Am nächsten Tag bin ich zu Fuß nach Sakuragicho, Minato Mirai und Yokohama Station gegangen, ein Tag, an dem es wirklich warm war (aber Kirschblüten am Arsch). Außerdem war ich im Nogeyama Park, in dem es einen kleinen, aber kostenlosen Zoo gibt.
Dann gab es noch einen sog. "Nakayoshi Hiroba",
ein "Platz zum Freunde werden".

Im Grunde ein Streichelzoo mit Mäusen und Meerschweinchen...
Ich glaub nicht, dass die Tiere daran sehr viel Spaß haben.


Das war auch schon der letzte Tag im Hotel. Am nächsten Morgen wurde ich von einer Studentin meiner Gast-Uni abgeholt und wir sind zusammen zum Wohnheim gefahren. Aber davon berichte ich nächsten Eintrag :)